Vor ein paar Monaten, als der Quarantänekerker gerade aus der Taufe gehoben war und Frau O eine ihrer ersten Podcastfolgen sendete, ging es darum, wo Übergriffigkeit anfängt. Und auch darum, wann Fanfictions übergriffig sind. Darüber hatte ich mir bis dahin nie Gedanken gemacht.

Fanfictions bedeuten für mich, dass ich als Zuschauer in meinem Kopf die Geschichten der Filme, Serien und Bücher umschreibe, mit den existierenden Figuren. Manchmal auch mit Figuren, die ich noch dazu erfinde. Natürlich überlege ich mir anhand real existierender Schauspieler, wie diese Figuren optisch aussehen sollten und wie sie von den Schauspielern dargestellt würden, bzw nehme eben die vorhandenen Gesichter und ihre Darstellung. Mir ist klar, dass das Schauspieler sind. Dass das, was sie darstellen, nicht real existiert, genauso wie mir klar ist, dass das, was ich mir dazu ausdenke, nicht real existiert (und mit 99,99999999%iger Sicherheit nie existieren wird)(leider, denn ich halte viele meiner Fanfictions für besser als die verarbeiteten Drehbücher, aber das ist ein anderes Thema). Aber solange ich damit nicht auf Conventions auftauche und besonders den entsprechenden Schauspielern unter der Nase herumwedle mit den Worten „Ich hab da was viel besseres“, sondern es für mich behalte, nur für mich niederschreibe, damit es aus meinem Kopf draussen ist,….ist das dann auch übergriffig?

Wie oft begegnet man jemandem in der Stadt, in der Bahn, sieht ein nettes Gesicht im Tv oder einer Werbeanzeige und denkt sich, „mit dem/der könnte ich mir dies und jenes vorstellen“, „die kann bestimmt gut knutschen“, „in dem seinen Armen würd ich gern einschlafen“ etc etc. Wir nehmen einen Anblick eines Menschen, den wir nicht kennen und nur einen Sekundenbruchteil gesehen haben, und stellen uns eine Vertrautheit vor. Würde man diese Gedanken auf eine Leinwand hinter uns projizieren, wären sie natürlich als übergriffig einzustufen. Wir selber würden auch nicht als „Wichsvorlage“ herhalten wollen. Die wenigstens von uns zumindest. Und dennoch passiert es, ich möchte mal behaupten, jedem von uns.

Ich wurde in den letzten Wochen mehrmals gefragt, ob ich keine Angst hätte, mein Gesicht im Internet zu zeigen, bzw die Fotos von meinem Körper, die ich bisher veröffentlicht habe. Und jedesmal hab ich mir diese Frage kurz selber gestellt und im selben Atemzug verneint. Nein, ich habe eigentlich kein Problem damit, mein Gesicht zu zeigen. Oder meinen Körper, bzw bestimmte Teile davon. Wenn ich Selfies mache, kann ich anhand der Pose und des Ausschnitts entscheiden, wieviel zu sehen ist. Wenn ich sie selber veröffentliche, bedeutet das für mich, dass ich auf dieses Foto zumindest in dem Augenblick stolz bin, dass es mir gut gelungen ist, dass ich selber Freude daran empfinde. Natürlich möchte auch ich nicht Wichsvorlage sein, deshalb blocke ich Accounts, die deutlich erkennen lassen, dass sie mir nur deshalb auf Twitter folgen, regelmäßig raus. Mich und meine Bilder gibts nur mit dem ganzen Gedöns, das mit dran hängt. Und das ist einiges. Zurück zum Thema: Ich wurde auch gefragt, ob ich nicht Angst vor Stalkern hätte. Hm, diese Frage mir selber zu beantworten fiel mir schon schwerer. Aber ich bilde mir ein, dass ich darauf achte, was ich preisgebe. Hm. Schwieriges Feld, dieser Teil des Themas.

Wo ist also die Grenze zwischen Übergriffigkeit, Stalking und Fanfiction? Sicherlich können wir uns auf bestimmte allgemein gültige Basics einigen: dass es z.Bsp.übergriffig ist, der Person zu sagen, was man sich mit ihr vorstellt, wenn man sich nicht oder nur oberflächlich kennt. Dass man dieser Person diese Gedanken zukommen läßt oder anderen weiß macht, diese Gedanken entsprächen der Realität. Dass man Veröffentlichungen dieser Person auf sich bezieht oder sie zum eigenen Vergnügen hernimmt. Beim Thema Stalking sind die Grenzen noch klarer, wenn ich mich recht entsinne, wurden diese ja nun auch vom Gesetzgeber definiert. Stalking, vor allem diese creepige Art mit Müll durchwühlen und der anderen Person auflauern – wie es in diversen Krimiserien gerne angeblich übertrieben dargestellt wird – das geht gar nicht. Nach unten hin sind die Grenzen fließender. Meine Definition von Fanfiction habe ich ja schon erläutert: ich nehme mir eine andere Fiktion (Film/Buch/Serie) als Grundlage und erweitere sie. In dem Bewusstsein, dass auch meine Erweiterung Fiktion ist. Ich weiß also, dass es Rory und Logan sind, die sich in Stars Hollow küssen, ich weiß aber auch, dass das zwei Charaktere sind, von zwei Schauspielern in einem Studio dargestellt, und wenn die Klappe fällt, gehen beide Schauspieler nach Hause in ihr richtiges Leben. So wie ich nach Feierabend nach Hause gehe.

Und warum schreibe ich das alles jetzt? Weil ich gerne öfter mal eine Fanfiction hier veröffentlichen würde. Nicht als Vorlage für euer Gedankenkino, sondern um sie aus meinem Kopf raus zu haben. Um in meinem Kopf Platz zu schaffen. Vielleicht veröffentliche ich sie auch nicht, keine Ahnung. Aber wenn ich es tue, gilt eben dieser ganzer Artikel als Disclaimer: es ist meine Fantasie, es ist eine Fantasie, nichts davon ist real oder wird als real einzutretend angesehen. Ich will schon gar nicht, dass jemand dann zu mir kommt und mir vorschlägt, dass wir das und das aus dieser und jener Fantasie doch mal zusammen umsetzen könnten. Äh, nein, so nicht, bestimmt nicht, non, nada, niet, no way Jose. Sollte ein Hollywood-Produzent das lesen und mir die Rechte abkaufen wollen, können wir reden, Aber bring Geld mit, Kollege.


Aruba

Geboren 1981, Fränggin, im hessischen Exil lebend weil am Flughafen Frankfurt beschäftigt, Katzenpersonal, Dreirad-Rollerfahrerin, BDSM-Interessierte, übergewichtig na und?, Schokoladenliebhaberin