Ich bin mal wieder im Zug unterwegs. Mama und ich fahren nach Hamburg, um im Miniwunderland die Züge anzuschauen. Und natürlich am Hafen zu flanieren, auf der Elbe zu schippern und lecker essen zu gehen. (Das könnten wir bei uns zu Hause zwar auch, aber manchmal muss man eben raus.) Und ein Teil von mir hofft auch darauf, dass Mama die Essensrechnungen übernimmt *grins*.
Ich muss auch mal wieder raus. Nicht wegen Corona, ich habe zum Glück keinen derartigen Lagerkoller wie viele andere Menschen. Letzten Freitag zum Beispiel hatte ich nen Spätdienst, musste also von 14-22Uhr arbeiten. Und Leute: das Terminal war prop-pen-voll! Eine solche Menge Menschen habe ich zuletzt vor Corona dort im Weg stehen sehen. (Ja, Passagiere stehen im Weg. Wenn ihr mal fliegt, tut der Welt und den Beschäftigten einen Gefallen: bleibt am Rand der Gänge stehen. Nicht mittendrin. Oder vor Türen. Wir Flughafenbeschäftigten haben zwar mit der Zeit ein Talent dafür entwickelt, euch zu umgehen, aber je einfacher wir von A nach D kommen, desto schneller kommt ihr ebenfalls an euer Ziel. Simple as that, isn`t it?) Für meine persönliche Wohlfühlgrenze waren es viel zu viele Menschen. Das war während den strikten Shutdownzeiten viel besser. Ja, ich weiß, ohne Passagiere verdient ein Flughafen kein Geld, und Frankfurt gleich gar nicht, weil der in den Augen der Oberen ja kein Flughafen mehr ist, sondern ein Business-Centre mit zufällig vorhandenem Start- und Landebahnsystem. (An dieser Stelle bitte Leonard Hofstatter vorstellen, der das „Sarcasm“-Schild hochhält.) Nein, ich bin mal wieder – oder immer noch, besser gesagt – in einer „ich hab keinen Bock mehr“Phase. Kein Bock mehr auf Hessen, kein Bock mehr auf arbeiten, kein Bock mehr auf Vorgesetzte, kein Bock mehr auf Miete zahlen, kein Bock mehr auf Nebenkosten zahlen (vor allem nicht auf Heizkosten, ich bin mir ziemlich sicher dass techem die Zähler manipuliert und schneller laufen lässt oder sowas in der Art), kein Bock mehr auf eine Enttäuschung nach der anderen…. Das Gefühl, alles hinschmeissen zu wollen, ist sehr, sehr stark gerade.
Enttäuschung. Die ist momentan wohl das vorherrschende Gefühl. Denn ich habe mal wieder mit meinem Anwalt telefoniert. Wegen dem Laden, der insolvenz und Demetrius. Denn es gibt mittlerweile ein Gutachten von der Insolvenzverwalterin. Sie empfiehlt, das Verfahren mangels Masse abzulehnen. Demetrius ist weiterhin abgetaucht. Und: er hat das Auto immer noch. Offenbar hat die Polizei oder sonst wer es wohl mal in Hanau an seiner Wohnung stehen sehen, und es wurde auch irgendein Stempel entfernt – aber als es am nächsten Tag abgeschleppt werden sollte, war die Karre natürlich weg. (Sowohl mein Anwalt als auch ich fragen uns, warum das Auto nicht gleich abgeschleppt wurde) Der einzige Posten in dem bisschen Restvermögen des Ladens ist also weg. Gut, es läuft eine Anzeige gegen Demetrius wegen Unterschlagung, und ich hoffe einfach, dass er das fehlende Pickerl nicht bemerkt hat und weiter herumfährt und irgendwann kontrolliert und festgenommen wird (bitte so richtig schön peinlich mit Handschellen und allem), aber…. Aber. Das große Aber. Das kennen wir alle auf die ein oder andere Art. Wenn es „aber“ heisst, ist nicht mehr viel mit Hoffnung. Oder Aussicht auf Erfolg. Das sagte mir eben auch mein Anwalt. Ich könnte natürlich Rechtsmittel gegen Demetrius einlegen, aber. Aber ich würde damit der Gegenseite nur einen Gefallen tun und dem Anwalt Geld beschaffen. Aber ich habe keinen schriftlichen Beweis, dass ich den Kredit für das Auto unter der Voraussetzung, dass die GmbH ihn übernehmen wird, aufgenommen. Aber ich habe keinen Beweis, dass das Auto nicht Demetrius überlassen werden sollte. Ich habe nichts, ergo kann ich nichts tun. Ich zahle da gerade teuer Lehrgeld. Und kann jedem von euch nur raten: wenn es um Geld geht, haltet das schriftlich fest zu euer beider Absicherung. Ich habe nur „aber“s. Und diese aber`s bringen mir mein Geld nicht zurück. Und das ärgert mich. Denn ich hatte gehofft, wir hätten Demetrius so richtig dran bekommen. Gericht, Verhandlung, Verurteilung, Knast, Berufsverbot, Zahlung aller Verbindlichkeiten; alles zu seinen Lasten. Stattdessen bin mal wieder ich diejenige, die in die Röhre schaut.
Inzwischen sind ein paar Tage vergangen seit Hamburg. Ich war mit Mama im Mini-Wunderland, wir haben eine sogenannte VR-Tour durch das Wunderland mitgemacht. Wir wurden von einer Maschine auf 2cm geschrumpft, perfekte Größe für das MiWuLa. Dann haben Affen unseren Zug geklaut und wir mussten ihn mit der Gruppe wieder zurück holen. War ne ziemlich lustige Aktion, sogar Mama war beeindruckt. Wir hatten ne schöne Zeit, ich muss unbedingt zurück nach Hamburg dieses Jahr noch. Diese Stadt tut mir einfach gut, ich kann es nicht erklären, warum. Vielleicht ist es das Wasser, vielleicht ist es das viele Grün, vielleicht sind es die Hamburger selbst…keine Ahnung. Wenn ich dort bin, möchte ich bitte wieder weg, und wenn ich weg bin, möchte ich dort hin. Es ist die einzige deutsche Großstadt, in der ich mir vorstellen kann, zu leben.
Und wenn nicht in Hamburg, dann vielleicht doch wieder zuhause. Denn auch das merke ich zur Zeit immer mehr. Mir fehlt meine Heimat. Ich mag meine Wohnung, aber zuhause, da wo ich aufgewachsen bin, wo es beim Bäcker richtige Brötchen gibt und nicht nur 08/15 Aufbackzeugs, wo ich jeden Grashalm kenne, da geht es mir auch gut. Es ist erstaunlich, dass man nach fast zwanzig Jahren Heimweh bekommen kann.
Was mir noch deutlich wird die letzten Tage: ich will den Saunagänger wieder sehen. Wir haben uns seit…vier Monaten nicht gesehen. Schreiben uns hin und wieder, ja, aber…da ist es wieder, ein „aber“. Und ich will wissen, ob wir so gut zueinander passen, wie ich hoffe und überhaupt. Und überhaupt, mir fehlen Armen, in die ich mich – vor allem mit dieser Pleite mit Demetrius – zurück lehnen und einfach nur die Augen zu machen kann. Ich will einfach auch nur mal irgendwo ankommen, bei irgendwem, mit irgendwem.
Aber.