Nachtdienst. Ich mag Nachtdienste. Es ist ruhig, man kann den eigenen Gedanken nachhängen. Gleichzeitig ist man für den größten deutschen Flughafen verantwortlich.
Ich mag dieses doppelte. Der eine Teil von meinem Hirn ist mit einer Sache beschäftigt, der andere mit einer anderen. Beide laufen dabei in einer höheren Taktzahl, als würde ich mich nur auf eine Sache konzentrieren. Weil ich die Konzentration von der einen auf die andere verlagern kann, ohne dass eine der beiden Sachen leidet, und dadurch bleibe ich wach. Das einzig andere, was mich so wach bleiben lässt, ist ein spannender Film. Oder Sex. Und die beiden Aktivitäten fallen hier natürlich raus.
Ich überlege, ob ich an dem Krimi weiterschreiben soll, den ich vor über einem Jahr angefangen habe. Ich habe die ersten beiden kleinen Kapitel, den Anfang vom dritten, und eine Szene zwischendrin. Ich bin nicht gut im kontinuierlichen Schreiben, das fühlt sich für mich zu sehr nach „von einem zum nächsten hangeln“ an. Bei dieser Geschichte wollte ich so vorgehen, dass ich mir die einzelnen Szenen, die mir einfallen, aufschreibe, und sie dann zusammen füge und die verbindenden Passagen dann mit der Zeit schreibe. Wahrscheinlich werden alle Autoren und Hobbyschriftsteller da draussen jetzt die Hände in die Luft werfen und „UM GOTTES WILLEN KIND NEIN!“ schreien. Und mir Tips geben wollen, wie es besser funktionieren wird, wie man eine Storyline aufbaut, die Figuren skizziert, was auch immer. Ja, nett, danke, das mag für euch funktionieren. Für mich funktioniert das Prinzip Chaos besser. In nahezu jeder Hinsicht. Ich kann mich auch nur dann mit der Geschichte befassen, wenn ich Lust darauf habe. Wenn ich mich selber dafür interessiere. Alles andere ist nur Qual. So ist meine Erfahrung mit dem Thema schreiben bisher: nur, wenn man für das Thema ein gewisses Interesse mitbringt, schreibt man auch gut darüber.
Den Krimi habe ich angefangen, als ich mich mit BDSM angefangen habe zu beschäftigen. Er soll auch solche Elemente enthalten. Aber ich weiß noch überhaupt nicht, wie ich das mit dem, was ich ebenfalls mit drin haben will, in Verbindung bringen soll. Solche Krimi-Stories mag ich sehr: zwei Handlungsstränge, die anscheinend erstmal nichts miteinander zu tun haben, und dann wird im Laufe der Story ein Geflecht aufgedeckt, das unglaublich wirr und gleichzeitig glasklar wirkt. Wie die alten Columbo-Fälle. Oder einige von Agatha Christies Geschichten. „Tod auf dem Nil“ ist ein solches Beispiel. Und in der Verfilmung mit Sir Peter Ustinov und David Niven absolut sehenswert. Auch wenn man zwischendurch immer mal wieder einschlafen möchte.
Meistens fängt es mit einer anderen Assoziation bei mir an. Ein Lied in der Regel. Welches ich höre und mir denke „Das würde ein gutes Intro geben“ oder „Dazu so und so ne Szene“. Und das schreibe ich dann auf. Diese Szene. Vielleicht noch irgendwo vorneweg eine Figurenbeschreibung, damit ich später mal ungefähr ne Ahnung hab, was ich mir dabei gedacht hab. Wie ich es gedacht hatte. Und dann verschwindet dieses Geschreibsel irgendwo auf der Festplatte bzw der Cloud oder sonstwo. Und drei Wochen später seh ich im TV irgendwas, was fast genau dieser Szene entspricht. Wo ich mich dann frage, ob an dieser ganzen Matrix-Sache nicht vielleicht doch was dran ist. Das wir in einer virtuellen Realität leben und eigentlich an Maschinen hängen. Das würde auch erklären, warum die Zeit so schnell zu vergehen scheint mit zunehmenden Alter.
Heute auch wieder. Ich hab nach dem ersten Nachtdienst von sieben Uhr morgens bis mittags um zwei geschlafen. Nahezu durchgehend. Wenn du erst um zwei wach wirst und um halb acht schon wieder zum Nachtdienst los musst, bleibt da nicht viel Zeit zwischendrin. Ich frage mich, wie die Kollegen das arrangiert bekommen, dass sie zwischen zwei Nachtdiensten noch hier hin gehen und da was erledigen und und und. Ich bin da klinisch tot. Also gefühlt. Vor die Tür gehen, einkaufen, Arzttermine, Ikea oder dergleichen? Keine Chance bei mir.
Ich mach gerne Nachtdienste. Da hab ich Zeit. Zeit zum Nachdenken.
17.06.2020