Ich habe so viel im Kopf, was raus muss. Weil es mich belastet, weil es mich aufregt, weil es mich beschäftigt, weil es einfach zu viel ist. Negatives wie positives, gutes wie schlechtes. Aber dann, wenn ich es alleine schon im Kopf vorformulieren will, ist es weg. Einfach puff, nicht mehr da. Wie bei diesen Zaubertricks, bei denen der Zauberer eine Rauchbombe wirft und keine Spur mehr von ihm zu sehen ist, wenn der Rauch verflogen ist.

Ich müsste über den Dachdecker schreiben und wie mies er sich beim letzten Date benommen hat. So mies, dass er jetzt Geschichte ist. Jedenfalls werd ich ihn nicht mehr kontaktieren und ihm auch keine Zeit mehr widmen.

Ich müsste über den Handwerker schreiben, der ein großartiger Gentleman ist, und in dessen Armen ich mich sicher und geborgen fühle. Den ich aber seit Weihnachten nicht mehr gesehen habe. Der eine sehr interessante Geschichte hat, Und der die volle Zustimmung meines Vaters finden würde aufgrund seiner handwerklichen Fähigkeiten.

Ich müsste über den Musiker schreiben, der gar nicht so wirkt, wie er ist. Der ebenfalls eine interessante Geschichte hat. Bei dem ich mich frage, “wie ist das eine mit dem anderen vereinbar?”. Bei dem ich mich fallen lassen kann und trotzdem alles mitbekommen will. Bei dem ich das erste Mal etwas schaffe, was ich bisher nie gekonnt habe. Und ich mich gleichzeitig frage, ob ich nicht zu verkopft bin.

Ich müsste über die Müdigkeit schreiben, die seit Jahresanfang wieder zurück kommt. Weil die Kurzarbeit vorbei ist, weil wir neue Dienstzeiten haben, weil auf der Arbeit ein Stimmung wie in Paris 1789 herrscht, weil ich endlich die Chance auf ein Privatleben habe welches den Namen verdient aber keine Zeit haben werde dafür, weil die Inzidenzen steigen, weil die Gewichtsabnahme stagniert, weil ich wieder zurückstecken soll, weil ich wieder nieder gertrampelt werde obwohl ich Recht habe, weil weil weil…

Ich müsste über die Freude darüber schreiben, dass ich acht Kilo abgenommen habe. Aber es geht seit Jahresanfang nicht weiter. Ich habe die Kochboxen von HelloFresh! abonniert, um neue Ideen zum Kochen zu bekommen und auch ein bisschen noch kochen zu lernen. Vielleicht esse ich zuviel Fleisch? Zweimal die Woche. Hm. Keine Wurst mehr (was mir schwerer fällt als der Fleischverzicht). Aber über Weihnachten hat mein Zuckerkonsum wieder zugenommen auch. Siehe dafür auch den vorhergehenden Absatz für die Gründe. Naja, zumindest fällt es meinen Eltern auf, dass ich Gewicht verloren habe. Endlich muss ich mir da keine Querschläger mehr anhören.

Ich müsste euch von dem tollen Buch erzählen, das ich gelesen habe. Mary Lawson, „Im letzten Licht des Herbstes“. Leicht zu lesen, drei miteinander verwobene Erzählstränge. Kann ich nur empfehlen. Derzeit lese ich „Die Magie der Nacht“ von Trinh Xuan Thuan, einem Astrophysiker. Astrophysik ist spannend. Und gleichzeitig entspannend, wenn es richtig erzählt wird. Das Licht der Sterne, so faszinierend und so alt…

Ich müsste über den „Young Men for Women Sauna“Abend schreiben. Der in einem Swingerclub stattgefunden hat, mit acht Ladies zwischen 28 und 51 und fünf Jungs von Anfang 20 bis Mitte 30. Von denen aber nur einer interessant für mich war. Und ich nicht weiss, was ich von diesem Abend halten soll. Oder den Damen. Oder den Jungs. Oder der Location. Ich weiss es wirklich nicht, weil auf jeden Pluspunkt des Abends ein Minuspunkt kommt und sich so alles die Waage hält.

Ich müsste darüber schreiben, dass ich die Katzen vermisse, weil sie bei meinen Eltern sind. Ich merke immer erst, wenn sie weg sind, wie wichtig sie für mein seelisches Gleichgewicht sind.

Über all das müßte ich schreiben.

Aber wo fang ich an? Mit welchem der Themen? Und wieviel gebe ich preis? So viel ist es dann doch nicht, weil irgendwie ist ja schon alles gesagt. Reicht es für einen Blogbeitrag? Kann ich vielleicht über was anderes noch schreiben, was themenmäßig dazu passt? Aber wie verbinde ich das dann wieder? Wie kriege ich die Kurve von einem Thema zum anderen, wenn mein Kopf unterwegs sowieso wieder in eine ganz andere Richtung abbiegt?

Bin ich doch zu verkopft? Denke ich zu viel? Kann man zu viel denken? Und was kann ich dagegen tun? Achtsamkeit? Meditation? Mehr Sex? Mehr Hobbies? Mehr Sport? Arbeitszeitreduzierung prüfen? Um wieviel? Und was kostet mich das? Geld. Immer fällt alles auf Geld zurück. Alles kostet Geld. Warum kostet das Leben soviel Geld? Sogar aussteigen kostet Geld. Denn wohin steigt man aus? Und womit? Wohnmobile sind teuer. Zumindest die mit ausreichend Platz. Ausserdem haben sie keine richtige Dusche. Ich brauche eine richtige Dusche. Duschen sind elementar. Wasser ist elementar. Ich würde lieber auf die Kochnische verzichten. Aber dann muss man ja immer noch das Abwasser entsorgen, urgs. Ausserdem, selbst wenn ich herum reisen würde, wovon würde ich leben? Kann ich gut genug schreiben dafür? Wer würde das lesen wollen? Ich weiß ja noch nicht mal, ob das hier wer liest. Fotos? Gibts auch bessere als mich. Kreativität? Hab ich nicht genug.

Wieso ist das so schwierig? Wann ist das Leben so …. erwachsen geworden?


Aruba

Geboren 1981, Fränggin, im hessischen Exil lebend weil am Flughafen Frankfurt beschäftigt, Katzenpersonal, Dreirad-Rollerfahrerin, BDSM-Interessierte, übergewichtig na und?, Schokoladenliebhaberin