Ende vorletzter Woche habe ich mit N telefoniert, der mir erzählte, dass Demetrius noch zwei Kundengeräte in seinem Besitz hat. Daraufhin habe ich eine Email geschrieben mit Demetrius, N und dem Anwalt im CC, dass ich nun offiziell die Insolvenz gestellt hätte, woraufhin N zurückschrieb, dass er den Hanauer Laden in den sozialen Medien als „geschlossen“ markieren ließe. Ich schrieb Demetrius auch, dass er eben die beiden Geräte noch habe meines Wissens nach und diese bitte an N schicken möge. Gerade habe ich N per WhatsApp gefragt, ob Demetrius sich gemeldet hätte. N verneinte.

Wieso ist er so? Wieso benimmt sich Demetrius schlimmer als ein Kleinkind, dem man sein Spielzeug weggenommen hat? Ich kann verstehen, dass er nicht mit mir reden will, weil ich für ihn jetzt die Böse bin, die nicht mit ihm mitzieht, ihn nicht unterstützt, die den Laden zusammen fallen läßt. Er neigt dazu, Leute, die ihn nicht unterstützen, fallen zu lassen und sie aus seinem Leben zu streichen. Im Grunde hat er mir das selbst erzählt, als er von diversen anderen gescheiterten Freundschaften erzählt hat. Aber er ist – nach eigener Aussage zumindest – Geschäftsmann. Und als Geschäftsmann sollte er doch daran interessiert sein, gerade da er der Mehrheitsgesellschafter beim Laden ist, dass diese ganze Sache einen ordentlichen Abschluss erhält. Schließlich fällt es doch auch auf seinen Ruf als Geschäftsmann zurück. Deswegen verstehe ich einfach nicht, warum er so dermaßen den Kopf in den Sand steckt und überhaupt nicht mehr reagiert, auf nichts und niemanden, keinen von uns. Auch nicht auf N. Oder S.

Ist es der verletzte Stolz? Die Enttäuschung darüber, dass ich ihm versprochen hatte, ihn zu unterstützen und ihm zu folgen und es dann doch nicht konnte, weil ich keinen Ausweg mehr sah? Er ist Narzisst, bezeichnet sich selbst als solchen; kann er überhaupt verletzten Stolz und Enttäuschung empfinden? Er sagt immer, er hätte mindestens einen Notfallplan, wenn etwas nicht so funktioniert wie ursprünglich gedacht. Was ist sein Notfallplan für diese Situation? Warum habe ich noch nichts von seinen Anwälten gehört? Ich hätte schwören können, dass er mir die als erstes auf den Hals hetzt. Mit dem ehemaligen Geschäftsführer des Ladens, mit D, hatte er das ja auch vor. Ich rechne ja immer noch damit, dass ich von der Kanzlei, die ihn vertritt, Post bekomme. Ich würde ihm das zutrauen. Warum kommt nichts? Und die größte Frage, die immer wieder in meinem Kopf herum geistert: warum hat er sein Wort nicht gehalten und mich gehen lassen, als ich gehen wollte? Denn das hatte er mir immer wieder versprochen, als er mich zu dieser Unternehmung überredete letztes Jahr: wenn ich raus wolle, könne ich jederzeit gehen, zur Not würde er mir meine Anteile abkaufen. Aber als ich gehen wollte, ich habe sein kalte Stimme noch im Ohr, „Dann such dir jemanden, der deine Anteile kauft.“ Warum macht er mir Versprechungen, die er nicht hält?

Und warum kann ich ihn einfach nicht aus meinem Kopf streichen? Warum weiß ich genau, dass es nur einen Abend neben ihm an einer Bar braucht, um ihn wieder in mein Leben zu lassen? Einen freundlich gesagten Satz aus seinem Mund, damit ich meine Mauern fallen lasse? Ein schelmisches Lachen mit dieser bestimmten Art, die Augenbrauen hoch zu ziehen, die mich selber schmunzeln läßt? Warum halte ich so an ihm fest?

Der Anwalt hat mir versichert, dass mit den 1400,-€, die ich als Vorauszahlung leisten musste, zumindest seine Arbeitsleistung gedeckt ist, bis der Insolvenzantrag durch ist. Aber dann? Mein Kopf fragt sich schon, was danach kommt. Muss der Insolvenzverwalter nicht auch bezahlt werden? Von wem? Bleibt der Anwalt dann trotzdem für mich Ansprechpartner, bis wirklich alles durch ist? Und welche Möglichkeiten habe ich, Demetrius an den Kosten zu beteiligen? Welche Kosten kommen noch auf mich zu? Ich bin am Flughafen in Kurzarbeit, ich weiß nicht, ob ich weiterhin so gut verdienen werde wie bisher. Und abgesehen davon, ich brauche mein Geld doch auch für mich.

Ich komme mir so enttäuscht vor. So allein gelassen. Ich habe Demetrius gegenüber vielleicht nicht gehalten, was er sich von mir erhofft hatte. Aber er auch nicht. Wir haben uns beide enttäuscht, würde ich sagen. Und wie geht es jetzt weiter, mit der Insolvenz, mit uns?

Ich empfinde immer noch viel für ihn. Ich brauche lang, um Menschen fallen zu lassen, die mir mal irgendwann gut getan haben.

05.05.2020


Aruba

Geboren 1981, Fränggin, im hessischen Exil lebend weil am Flughafen Frankfurt beschäftigt, Katzenpersonal, Dreirad-Rollerfahrerin, BDSM-Interessierte, übergewichtig na und?, Schokoladenliebhaberin