Mein Arzt stirbt. Gestern war ich in der Praxis zur Hyposensibilisierung, und der junge Kerl, der mich gespritzt hat, sagt “Sie wissen, dass der Doktor nicht wieder kommt?”
Nein, gewusst habe ich es nicht. Geahnt, befürchtet, ja, aber nicht gewusst.
Und dann sitzt du da, musst nur halb so bestürzt tun, wie du tatsächlich bist, willst heulen, aber schluckst nur schnell den Kloss im Hals runter.
Es ist falsch. Es ist falsch, dass es ihn trifft. Es ist wahrscheinlich auch falsch, dass ich mir nen Kopf deswegen mache. Es ist bestimmt falsch, darüber zu schreiben, aber es nagt an mir und was an mir nagt, muss raus.
Er ist ein guter Arzt, nimmt sich Zeit für seine Patienten, überlegt was man machen könnte, wo das Problem liegen und wie man helfen könnte. Man fühlt sich ernst genommen, aufgehoben. Warum muss es so jemanden treffen? Es gibt andere, schlechtere Menschen, verantwortungslosere, die es eher verdient hätten, ein derartiges Schicksal erleiden zu müssen. Aber die trifft es nicht. Die dürfen weiter machen, weiter andere ausnutzen und ihr eigenes Spiel spielen. Aber die guten, die helfen, die sich an die Regeln halten, …die werden abgestraft.
Ich habe ihm eine Karte geschrieben. Keine normale gute-Besserung-Karte, das kam mir zu wenig vor. Und zu abgedroschen. Ich habe in Traunstein eine Karte gefunden, schön bunt, auf der steht “Die besten Wünsche” und dann Schlagworte wie Ruhe, Kraft, Frieden, Liebe, Freude etc. Es ist zwar wohl eine Geburtstagskarte, aber ich fand, es passt. Nun ja, das war vor zwei Wochen. Bevor ich wusste, dass er nicht wieder in die Praxis zurück kehren wird. Rein geschrieben habe ich “von dem vorne aufgedruckten, das, was Sie gerade am meisten brauchen”. Das erschien mir passend. Denn wie gesagt, einfach nur “Gute Besserung” klingt in meinen Ohren zu lasch und abgedroschen, und “Viel Kraft” hat auch schon seine Positivität eingebüsst. „Guten Kampf“ wollte ich auch nicht schreiben, das klingt mir zu sehr nach einem gewissen Buch eines braunen, österreichischen Aases aus dem zweiten Weltkrieg. Was schreibt man, wenn man nicht sicher weiss, mit welchen Dämonen jemand kämpft? Wenn man nur ahnt, was los ist? Aber dennoch ausdrücken möchte, dass man sich Sorgen macht, weil man eben so ein verdammt loyaler Mensch ist? Was schreibt man da? Und wie drückt man all die Gefühle aus, ohne sie auszudrücken? Wie schreibt man das?